Nach über 20 Jahren im Marketing habe ich vieles gesehen und erlebt: aufwendige Strategien, ausgeklügelte Konzepte und beeindruckende Präsentationen, die nach allen Regeln der Kunst entwickelt und gestaltet wurden. Man sollte meinen, dass der Schlüssel zum Erfolg in der akkuraten visuellen Umsetzung solcher Strategien liegt. Doch ich sage dir: Keine noch so durchdachte Marketingstrategie aus dem Lehrbuch kann jemals das leisten, was Einfühlungsvermögen und ein individuelles Hineindenken in die Zielgruppe vermag.
Der menschliche Faktor im Marketing
Marketing ist eine Wissenschaft. Zahlen, Daten und Analysen spielen eine wichtige Rolle, keine Frage. Sie bieten die Basis, auf der Strategien entwickelt und Entscheidungen getroffen werden. Aber genau an diesem Punkt machen viele Marketer einen Fehler: Sie vernachlässigen manchmal den menschlichen Aspekt. Sie vergessen, dass es nicht nur „Zielgruppen“, sondern letztendlich Menschen sind, die angesprochen, bewegt und überzeugt werden müssen.
Marketing mit Endkunden lässt sich sehr gut auf das Recruiting übertragen: Recruiting ist mehr als nur das Ausfüllen offener Positionen mit qualifizierten Fachkräften. Es ist ein Prozess, bei dem es darum geht, Menschen auf ihrer beruflichen Reise zu begleiten, ihnen Orientierung zu geben und eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre breitgefächerten Fähigkeiten entfalten können. Das Wesentliche hierbei: Es geht um Menschen. Und Menschen lassen sich nicht durch bloße Prozesse, Kennzahlen und standardisierte Abläufe gewinnen.
Oft wird der emotionale Aspekt der bei der Talentgewinnung vernachlässigt. Zahlen und Fakten liefern vielleicht Anhaltspunkte für die Gestaltung von Recruiting-Prozessen, doch der Schlüssel liegt darin, die Beweggründe, Wünsche und Erwartungen der Menschen zu verstehen. Das gelingt nur, wenn man sich wirklich in ihre Lage hineinversetzt: Was denkt eine Bewerberin, wenn sie dein Stellenangebot liest? Was empfindet ein passiv suchender Kandidat, wenn er auf LinkedIn angesprochen wird? Nur wer sich in die Welt der Kandidat:innen einfühlen kann, wird letztlich erfolgreich sein, weil er oder sie letztendlich dadurch eine positive Candidate Experience schafft.
Warum Einfühlungsvermögen sowohl im Marketing als auch im Recruiting so wichtig ist
Einfühlungsvermögen bedeutet nicht nur zu wissen, welche Fähigkeiten und Qualifikationen ein:e Bewerber:in mitbringt. Es geht darum, die Perspektive der Person zu verstehen und nachzuvollziehen, welche Beweggründe ihn oder sie zu einem Jobwechsel treiben könnten – oder warum er oder sie aktuell nicht auf Jobsuche ist. Nur so lassen sich passgenaue Angebote entwickeln, die die Kandidat:innen wirklich ansprechen.
Nehmen wir zum Beispiel einen erfahrenen Softwareentwickler, der in einem gut bezahlten, aber fordernden Job arbeitet. Du möchtest ihn für eine spannende Stelle in deinem Unternehmen gewinnen. Die Standardansprache würde vermutlich auf die klassischen Benefits und Karrierevorteile abzielen. Doch damit stößt du bei solchen Kandidaten oft auf taube Ohren. Denn die eigentliche Frage ist: Was sind seine persönlichen Bedürfnisse? Ist es die Work-Life-Balance, die er aktuell vermisst? Sehnt er sich vielleicht nach einer Tätigkeit mit mehr Sinn und Impact? Oder ist ihm eine Unternehmenskultur wichtig, in der seine Ideen wirklich Gehör finden?
Nur wenn du diese individuellen Wünsche verstehst und in deine Ansprache integrierst, hast du die Chance, Interesse zu wecken. Standardisierte Jobbeschreibungen und austauschbare LinkedIn-Nachrichten schaffen das nicht.
Die Grenzen klassischer Recruiting-Strategien
Natürlich gibt es im Recruiting viele erprobte Modelle, Frameworks und Tools. Und sie alle haben ihren Platz. Jobanzeigen oder Social-Media-Kampagnen aufsetzen und Talent Pools aufbauen sind notwendige Maßnahmen, um eine solide Grundlage zu schaffen. Aber wo viele scheitern, ist der Übergang vom rein strategischen Denken zu echtem Verständnis für die Kandidat:innen.
Zahlreiche Recruiter:innen verbringen den Großteil ihrer Zeit damit, Lebensläufe zu sichten, Algorithmen zu nutzen und Kandidat:innenprofile zu filtern. Aber was passiert, wenn der/die „perfekte“ Kandidat:in auf dem Papier andere Ziele verfolgt? Oder wenn ein vielversprechendes Talent in deinem Funnel landet, sich aber im Gespräch nicht wirklich abgeholt fühlt? Dann helfen keine noch so detaillierten Jobbeschreibungen oder optimierten Prozesse weiter.
Hier kommt Einfühlungsvermögen ins Spiel: Wer versteht, was den Bewerber oder die Bewerberin gerade wirklich beschäftigt – sei es beruflich oder privat –, kann flexibler und gezielter reagieren. Wer die Bedürfnisse eines Talents erkennt, bevor es sie selbst in Worte fassen kann, sticht als Arbeitgeber heraus und baut eine emotionale Brücke, die über klassische Argumente hinausgeht.
Wie können Recruiter:innen ihr Einfühlungsvermögen schärfen?
Wie lässt sich Einfühlungsvermögen trainieren? Schließlich handelt es sich um eine schwer messbare, aber unglaublich wertvolle Fähigkeit. Die Antwort liegt in einer Kombination aus Zuhören, Beobachten und echtem Interesse an den Menschen hinter den Bewerbungszahlen. Hier sind einige praktische Ansätze, die dir helfen können, dich stärker in deine Kandidat:innen hineinzuversetzen:
1. Aktiv zuhören
Nutze die Gespräche mit Kandidat:innen nicht nur dazu, Informationen zu sammeln, sondern um wirklich zu verstehen, was diese Menschen bewegt. Was sagen sie zwischen den Zeilen? Welche Themen sprechen sie an? Verstehe, was sie bewegt, und frage nach ihren Meinungen und Erfahrungen. Gehe über das klassische Abfragen von Qualifikationen hinaus.
2. Die Welt durch die Augen der Kandidat:innen sehen
Versetze dich in die berufliche und persönliche Situation deiner Zielgruppe. Welche Herausforderungen haben sie im aktuellen Job? Welche Wünsche sind vielleicht noch unerfüllt? Welche Hürden sehen sie bei einem Wechsel? All diese Informationen helfen dabei, nicht nur eine emotionale Verbindung aufzubauen, sondern das Wissen über Herausforderungen, Wünsche und Ziele auch in deine zukünftige Kommunikation einzubauen.
3. Empathie als Schlüsselkompetenz fördern
Empathie lässt sich trainieren, indem man bewusst versucht, sich in andere Menschen hineinzufühlen. Das kann durch Storytelling geschehen oder indem man sich selbst in verschiedenen Szenarien reflektiert: „Wie würde ich mich fühlen, wenn…?“
4. Achte auf den „Cultural Fit“
Ein gutes Gehalt und attraktive Benefits allein reichen oft nicht aus. Was suchen die Kandidat:innen wirklich? Ist es die Arbeitskultur, die Nähe zu Kolleg:innen oder die Möglichkeit, sich kreativ auszuleben? Stell dir die Frage: Passt das Unternehmen wirklich zu den individuellen Erwartungen dieses Talents?
5. Kandidat:innen als Menschen, nicht als Profile sehen
Ein Lebenslauf erzählt nur einen kleinen Teil der Geschichte. Hinter jeder Bewerbung steckt eine Lebensgeschichte, ein individueller Werdegang, und oft auch Träume und Pläne. Nimm dir die Zeit, den Menschen hinter dem Profil zu entdecken. [Hier findest du einen LinkedIn-Artikel von mir, den ich zum Thema „finde das echte Warum“ geschrieben habe.]
6. Feedback ernst nehmen
Nutze Feedback als Chance, um dein Verständnis weiter zu schärfen. Höre nicht nur auf Lob oder Kritik, sondern versuche, die zugrunde liegenden Emotionen zu erkennen. Was steckt wirklich hinter der Reaktion eines/einer Bewerber:in oder auch einer/eines Mitarbeitenden? Diese Erkenntnisse lassen sich auch für Kommunikationsmaßnahmen nutzen.
Erfolgreiches Recruiting beginnt mit Empathie
Am Ende ist es nicht die beste Strategie oder die effizienteste Recruiting-Technologie, die den Unterschied machen. Der wahre Erfolgsfaktor im Recruiting liegt in deiner Fähigkeit, ein echtes Verständnis für die Menschen aufzubauen, die du ansprechen willst.
Wer die Bedürfnisse, Wünsche und auch die Ängste seiner Bewerber:innen kennt, kann authentisch kommunizieren, relevante Angebote machen und letztlich Talente nicht nur gewinnen, sondern auch langfristig binden. Der Mensch hinter dem Bewerbenden steht im Mittelpunkt – und das sollte sich in jedem Schritt deines Recruiting-Prozesses widerspiegeln.
Deshalb: Sei nicht nur Recruiter:in, der/die Profile füllt, sondern empathische Berater:in, der/die Karrieren gestaltet. Denn keine noch so ausgeklügelte Recruiting-Strategie kann jemals das leisten, was wahres Einfühlungsvermögen vermag.
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